Ostseeschutz als Zukunftsaufgabe – ein liberaler Gegenentwurf zum Nationalpark Ostsee
Der Schutz unserer Meere und die verantwortungsvolle Nutzung dieser natürlichen Ressource ist schon immer ein zentrales Anliegen der Freien Demokraten. Wir sind uns der entscheidenden Bedeutung des Meeresschutzes bewusst: Meere tragen eine besondere Rolle im Klimasystem, produzieren Sauerstoff und sind Ursprung für den globalen Wasserkreislauf. Darüber hinaus bieten sie zahlreiche Einkommensquellen, sind Quelle für Nahrungsmittel und bieten den Küstenbewohnern und -besuchern die Möglichkeit für eine attraktive Freizeitgestaltung. Mit voller Überzeugung treten wir daher für einen effektiven Schutz unserer Meere und, hier in Schleswig-Holstein als Land zwischen Meeren, insbesondere für einen besseren Schutz der Nord- und Ostsee ein.
Insbesondere die Ostsee steht als Randmeer in Zeiten des Klimawandels besonderen Herausforderungen gegenüber: Durch Flüsse und die Luft gelangen fortlaufend Nährstoffe durch die Landwirtschaft, Tierhaltung und durch Abwässer aus dem Hinterland in die Ostsee. Durch die zunehmende Eutrophierung und einen verminderten Wasseraustausch mit der Nordsee, breiten sich die sauerstoffarmen Bereiche, die sogenannten Todeszonen, immer weiter aus. Die steigenden Wassertemperaturen setzen viele heimische Fischarten, die an kühlere Temperaturen angepasst sind, unter Druck. Hinzu kommen toxische Substanzen aus Munitionsaltlasten und Schiffswracks, die gerade für Jungfische problematisch sind. Das zeigt sich an den zurückgehenden Fischbeständen trotz der bestehenden Fangquoten. Herumschwimmende Geisternetze und Plastik sind vor allem für größere Fische, Vögel und Meeressäuger problematisch. Zudem wird die Ostsee durch die maritime Wirtschaft und den Wassersport intensiv genutzt. Lärmemissionen aus der Schifffahrt und die Energiegewinnung sind ein zusätzlicher Stressor für marine Lebewesen.
Kurzum: Der Klimawandel und die Eingriffe des Menschen haben dafür gesorgt, dass sich die Ostsee in einem schlechten Zustand befindet. Das zeigt, dass alle bisherigen Bemühungen nicht ausreichend waren, um die Ostsee richtig zu schützen.
Das wollen wir ändern. Der effektive Schutz der Ostsee ist für uns eine Zukunftsaufgabe. Hierbei gilt es die Ziele des Umweltschutzes zu erreichen und gleichzeitig die vielfältigen Interessen bestmöglich zu berücksichtigen. Hierfür brauchen wir transparente Verfahren und echte Beteiligungsmöglichkeiten. Der aktuell diskutierte Nationalpark Ostsee ist aus unserer Sicht allerdings nicht das geeignete Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
„Nein“ zum Nationalpark
Im Sinne des §24 BNatSchG (Bundesnaturschutzgesetz) schließt ein Nationalpark die Nutzung eines Gebietes überwiegend aus (1). Die für den Nationalpark vorgesehene Gebietskulisse mit seinen umfangreichen Nullnutzungszonen umfasst viele durch die Wirtschaft und den Wassersport intensiv genutzte Bereiche. Wir wollen, dass diese Bereiche weiterhin nutzbar bleiben. Auch die Zusicherung von Seiten des Umweltministeriums, dass Wassersport und Freizeitaktivitäten auch bei der Einrichtung eines Nationalparks weiter möglich blieben, sind mit Vorsicht zu genießen. Nach der Einrichtung des Nationalparks im Wattenmeer hat es vielerorts Einschränkungen gegeben und es werden in einem schleichenden Prozess immer mehr.
Herausforderungen, wie die zunehmende Eutrophierung oder der Temperatur- und der Meeresspiegelanstieg sowie die Belastung mit toxischen Substanzen aus Munitionsaltlasten werden durch die Einrichtung eines Nationalparks nicht unmittelbar angegangen. Unserer Ansicht nach reicht es nicht aus, die Natur sich selbst zu überlassen. Die Einrichtung einer Nationalparkverwaltung ist mit einem enormen zusätzlichen Bürokratie- und Verwaltungsaufwand sowie mit hohen Kosten verbunden. Die zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Mittel sollten lieber in die konkrete Ausgestaltung, Koordination und Umsetzung von Maßnahmen oder Forschungsvorhaben fließen als in zusätzliche Stellen zur Verwaltung einer passiven Maßnahme.
Einsatz einer Enquete-Kommission des Landtages zum Schutz der Ostsee
Ostseeschutz gelingt am besten gemeinsam! Die Ostsee wird von einer Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Bedürfnissen genutzt bzw. beeinflusst: Die maritime Wirtschaft mit Fischerei, Seeschifffahrt, Hafenwirtschaft, Tourismus und vielen weiteren Akteuren muss ebenso in die Entwicklung einer Schutzstrategie eingebunden werden wie die Bundeswehr, der Wassersport, die Landwirtschaft, die Naturschutzverbände und die meereswissenschaftliche Forschung.
Der Landtag ist der am besten geeignete Ort, um transparent und kooperativ über den Schutz der Ostsee zu diskutieren und Lösungen zu erarbeiten. Wir fordern daher den Einsatz einer Enquete-Kommission bestehend aus Abgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtags unter enger Einbindung von Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis aus den genannten Bereichen. Die Enquete-Kommission soll bereits bestehende Vereinbarungen weiterentwickeln und neue Ansätze ausarbeiten.
Die Arbeitsergebnisse der Kommission sollen als Grundlage für die weitere Gesetzgebung zum Ostseeschutz dienen.
Ostseeschutz mit den Ostseeanrainerstaaten umsetzen
Schleswig-Holstein allein wird den Zustand der Ostsee nicht umfänglich verbessern können. Deswegen ist ein Dialog mit allen Ostseeanrainerstaaten von entscheidender Bedeutung. Insbesondere der Nährstoffeintrag trägt maßgeblich zur Verschlechterung des Zustands der Ostsee bei. Der aktuelle Baltic Sea Action Plan legt unter anderem die Reduzierung der Nährstoff-Belastung der Ostsee fest. Zur Verringerung der Nährstoffeinträge können Gewässerrandstreifen maßgeblich beitragen. Der durch die HELCOM-Zusammenarbeit eingeschlagene Weg der Best-Practice-Beispiele, wie bei der Modellregion Schlei, sollte unbedingt fortgeführt und intensiviert werden.
Zielgerichtete aktive Schutzmaßnahmen auf Basis eines sektoralen Monitorings
Bereits heute gibt umfassende meereswissenschaftliche Studien, die den Zustand der Ostsee im Allgemeinen und die Entwicklung in den vergangenen Jahren dokumentieren. Der Zustand der FHH-Gebiete wird alle sechs Jahre dokumentiert. Ein flächendeckendes Monitoring, welches den genauen Zustand der einzelnen Ostseegebiete erfasst, fehlt allerdings bisher. Wir fordern die Einführung eines flächendeckenden sektoralen Monitorings für die gesamte schleswig-holsteinische Ostsee. Erhaltungs- und Wiederherstellungsziele nach FFH-Richtlinien können auf neue Potenzialflächen übertragen werden. Die Ergebnisse des Monitorings sollen ausgewertet und spezielle Probleme der einzelnen Gebiete herausgearbeitet werden. Aus diesen sollen konkrete Handlungsempfehlungen für jedes einzelne Gebiet erarbeitet werden.
Mögliche Instrumente können sein:
- Pflanzung und Erhaltung von Seegraswiesen als Lebensraum für Fische und Kleinstlebewesen, Kohlenstoffdioxidsenke und Küstenschutzmaßnahme
- Wiederherstellung der durch die Steinfischerei reduzierten Riffstrukturen z.B. durch Einbau von Findlingen
- Errichtung von zusätzlichen künstlichen Riffen, die als Hartgründe für sessile marine Organismen dienen und ebenfalls zum Schutz der Küsten beitragen
- Unterstützung der Ansiedlung von Muschelbänken
- Zügige Bergung von in dem Gebiet befindlichen Munitionsaltlasten
- Abpumpen von Altöl von vor der Küste liegenden Schiffswracks
Grundlegend unterstützen wir alle Bemühungen, die der umfassenden Sammlung und Zusammenführung von Meeresdaten sowie anderen relevanten Umweltparametern dienen. Hierzu gehört die Erfassung von Schadstoff-Emissionen, besonders Stickoxid-Emissionen in den Küstengebieten, Häfen und Seewegen, wie dem Nord-Ostsee-Kanal, um das Potenzial der Reduktion von Stickoxyden und anderen Schadstoffen in der See- und Binnenschifffahrt im Raum Schleswig-Holstein genauer bestimmen zu können.
Neuen Technologien den Weg bereiten – Forschung und Ausgründungen stärken
Wir sind überzeugt, dass neue Technologien in bedeutendem Umfang dazu beitragen
werden, Fischerei und Schifffahrt umweltverträglicher zu machen. Es existieren
viele Startups im Bereich der Blue Economy, die allerdings oftmals durch
bürokratische Hürden ausgebremst werden. Wir wollen daher Ausgründungen aus der
Forschung erleichtern, indem wir standardisierte Verfahren für den
Gründungsprozess und die unbürokratische Eröffnung von Testfeldern etablieren.
Besonderes Potenzial sehen in folgenden Bereichen:
- Entwicklung von alternativen Antriebstechniken in der Schifffahrt
- Entwicklung biozidfreien Antifouling-Beschichtungen
- Entwicklung von alternativen Fangmethoden
Munitionsaltlasten umfassend und schnell beseitigen
Allein im deutschen Teil der Ostsee liegen 300 000 Tonnen Munition sowie chemische Kampfstoffe, die nach den Weltkriegen in großem Umfang dort verklappt wurden. Durch die fortschreitende Korrosion der Behälter gelangen immer mehr toxische Substanzen wie TNT, DNB und Blei ins Meer. Eine Freisetzung dieser Stoffe stellt einen weiteren Risikofaktor für den Zustand der Ostsee dar. Die Verantwortung für die Beseitigung dieser Altlasten liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Bund Ländern. Die Landesregierung wird demnach aufgefordert, die Bergung der Munition mit der Bundesregierung gemeinsam schnellstmöglich voranzutreiben und keine gesetzlichen Änderungen vorzunehmen, die eine Bergung verhindern oder verzögern könnten. Insbesondere die Bundesebene ist angehalten, sich umfassend an den finanziellen Gesamtkosten für die Bergung und die Entsorgung zu beteiligen.
Schleswig-Holstein verfügt über eine besondere Kompetenz auf dem Feld der Munitionsbeseitigung, da führende involvierte Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft bereits hier ansässig sind. Gleichzeitig sehen wir in der Beseitigung der Munitionsaltlasten auch eine wirtschaftliche Chance für unsere Region: Wir wollen Schleswig-Holstein zur Leuchtturmregion für die Beseitigung von Munition im Meer machen und die wirtschaftliche Perspektive der Munitionsbeseitigung für die hiesigen Werften nutzen.
Küstenschutz an den Klimawandel anpassen
Dem Küstenschutz kommt in den nächsten Jahren eine besondere Wichtigkeit zu. Durch den ansteigenden Meeresspiegel nehmen Hochwasserstände zu, Strömungen werden stärker, Wellen erreichen mit höherer Wucht die Küste. Als Folge nimmt die Erosion an den Steilufern und die Abrasion an den Küsten insgesamt zu. Die aktiven Steilufer setzen jedes Jahr bis zu 156.000 Kubikmeter Sand frei, der zur Stabilisierung der Strände dient. Durch den Klimawandel nimmt auch die Frequenz der extremen Wetterereignisse zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass sogenannte Jahrhundertfluten in kürzeren Abständen auftreten, ist hoch. Es ist daher unbedingt erforderlich, auch die Küstenschutzmaßnahmen an der Ostsee an die Folgen des Klimawandels und den ansteigenden Meeresspiel anzupassen.
Das Jahrhunderthochwasser im Oktober 2023 hat gezeigt, dass die aktuellen Küstenschutzmaßnahmen an vielen Abschnitten der Ostseeküste unzureichend sind. Wir wollen an der gesamten Ostseeküste genau prüfen, ob die bisherigen Küstenschutzmaßnahmen ausreichend sind und wo diese verstärkt werden müssen. Hierbei setzen wir auf eine Mischung aus konventionellen Küstenschutzmaßnahmen wie Deiche, Deckwerke, Buhnen, Wellenbrecher, Uferschutzmauern und Aufspülungen und sogenannten „weichen“ Küstenschutzelementen wie Steinriffe, Seegrasmatten, Muschelbänken, Treibsel-Dünen und der Wiedervernässung von Talauen.
Während die Landesdeiche der letzten Sturmflut standhielten, brachen an einigen Stellen die Regionaldeiche, die sich in einem schlechten Zustand befanden. Bisher lag die Verantwortung für diese Regionaldeiche in der Hand der Kommunen und erfolgte durch die Wasser- und Bodenverbände. Das Umweltministerium hatte eine Kontrollfunktion. Die Auswirkungen der Flutkatastrophe machen deutlich, dass unterschiedliche Stellen ihrer Verantwortung für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend nachgekommen sind.
Aus diesem Grund muss geprüft werden, wo es sinnvoll sein könnte, dass Regionaldeiche an der Ostseeküste zukünftig in die Zuständigkeit des Landes übergehen. Dies soll jedoch nach sinnvollen Kriterien und von Seiten der Verbände auch auf freiwilliger Basis geschehen. Das Land wird auch an der Ostseeküste mehr Verantwortung für den Küstenschutz übernehmen müssen – finanziell, aber auch organisatorisch. Wir fordern die Landesregierung auf, den Zustand der Deiche an der gesamten Ostseeküste systematisch zu überprüfen und die Deichstruktur an die Anforderungen, die ein steigender Meeresspiegel mit sich bringt, anzupassen bzw. anpassen zu lassen. Verstärkt sollen Klimadeiche mit Vorsorgemaß und Baureserven zum Einsatz kommen. Um dies möglichst schnell und kosteneffiziert umsetzen zu können, fordern wir die Abschaffung der Pflicht für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen für alle Küstenschutzmaßnahen.
Zusätzlich wollen wir den Katastrophenschutz weiter stärken und ausbauen. So müssen die von der Landesregierung angekündigten zusätzlichen 15 Stellen für den Katastrophenschutz im Innenministerium zügig geschaffen und besetzt werden. Der Katastrophenschutz muss auch an der Ostseeküste stärker durch das Land koordiniert werden.
Um die Einsatzbereitschaft der ehrenamtlichen Helfer im abwehrenden Katastrophenschutz langfristig und umfänglich sicherzustellen, werden wir in regelmäßigen Abständen zusätzliche Fahrerlaubnisse für Großfahrzeuge durch den Katastrophenschutz finanzieren (z.B. alle drei Jahre eine weitere Fahrerlaubnispro Standort).