Irreguläre Migration reduzieren, humanitäre Hilfe leisten, modernes Einwanderungsland werden!
Schon mit dem starken Zustrom von Flüchtlingen und Migranten ab 2015 hat Deutschland, vor allem in Gestalt der Kommunen und des Ehrenamtes, außergewöhnliches bei der Aufnahme und Integration vieler Menschen geleistet. Mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine seit dem russischen Überfall ist ein weiterer Akt der Solidarität in bisher beispiellosem Ausmaß geleistet worden. Mit den nun wieder stark angestiegenen Zahlen außereuropäischer Flüchtlinge und Migranten erreicht Deutschland die Grenzen seiner Belastbarkeit. Unterbringung und Integration können absehbar nicht mehr in dem notwendigen Maß geleistet werden. Hinzu kommt, dass die Verbringung von Migranten an die europäischen Außengrenzen von Staaten wie Russland und Weißrussland offenbar gezielt als politisches Mittel mit dem Ziel der Destabilisierung von EU-Staaten eingesetzt wird.
Um die Aufnahmefähigkeit Deutschlands für Menschen mit einem rechtlichen Anspruch auf einen humanitären Schutzstatus auch künftig sicherstellen zu können, bedarf es daher dringend einer wirksamen Begrenzung der irregulären Migration.
Deutschland und Europa stehen dieser Herausforderung nach wie vor mit einer gewissen Hilflosigkeit gegenüber. Dies ist insbesondere vor dem rechtlichen Hintergrund bemerkenswert, dass Einreisen nach Deutschland außer über den Luftweg nur aus sicheren Drittstaaten möglich sind und somit grundsätzlich kein Anspruch auf Asyl nach Art. 16a GG besteht bzw. nach dem europäischen Flüchtlingsrecht Asylanträge grundsätzlich in dem Land zu stellen sind, in dem die EU erstmals betreten wird.
Durch das Versagen der Grenzschutzsysteme, der Europäischen Kooperation und wirksamer Rückführungen ist Deutschland weiterhin Hauptzielland für Flüchtlinge und Migranten in Europa. Ein Andauern der aktuellen Situation wird Deutschland absehbar überfordern und zu erheblichen gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Verwerfungen führen. Es bleibt somit für die FDP festzustellen, dass der bestehende Rechts- und Ordnungsrahmen nicht mehr ausreichend ist, um der Situation Herr zu werden.
Nach wie vor wird in Deutschland nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Formen der Zuwanderung differenziert. Deutschland als Einwanderungsland braucht die Zuwanderung von qualifizierten und engagierten Arbeitskräften und Talenten aus dem Ausland und muss diese Rolle politisch und gesellschaftlich auch noch aktiver annehmen. Wir Freien Demokraten halten gerade auch in diesem Zusammenhang eine weltoffene und tolerante Politik auf Basis der freiheitlichen und demokratischen Grundwerte unserer Gesellschaft für unerlässlich. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz muss die notwendigen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hierfür auch wirklich schaffen.
Wir Freien Demokraten halten gerade auch in diesem Zusammenhang eine weltoffene und tolerante Politik für unerlässlich. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat der Bund einen richtigen Schritt gemacht, um gezielt Menschen aus dem Ausland für den deutschen Arbeitsmarkt zu werben und so die sich vergrößernde Fachkräftelücke wieder zu schließen. Diese Realität muss auch in der Breite der Gesellschaft noch mehr verinnerlicht werden. Darüber hinaus sind bürokratische Hürden für die Arbeitsaufnahme dringend benötigter Fachkräfte weiter abzubauen.
Neben der regulären Einwanderung von qualifizierten Fachkräften soll Deutschland auch weiterhin humanitäre Hilfe leisten: Das bedeutet auch in Zukunft die Aufnahme von Menschen, die einen individuellen Anspruch auf Asyl nach Art. 16a GG haben. Ebenso sollen weiterhin angemessene Kontingente von Menschen aufgenommen werden, die vor Krieg und Vertreibung fliehen und denen eine legale und sichere Fluchtmöglichkeit ohne die Inanspruchnahme von kriminellen Schleuserbanden und eine lebensgefährliche Bootsfahrt über das Mittelmeer eröffnet werden muss.
Nicht mehr hinnehmbar ist jedoch die ungesteuerte Einwanderung von Menschen, die keine der vorgenannten Voraussetzungen erfüllen und deren Rückführung bisher in aller Regel aus vielfältigen Gründen scheitert. Allein in Schleswig-Holstein gab es bereits Ende 2022 über 12.000 ausreisepflichtige Personen (davon rund 10.000 mit einer Duldung). Abschiebungen in die Herkunftsländer oder aufnahmepflichtige Drittländer wurden hingegen im Jahr 2023 bis einschließlich September lediglich in 129 Fällen erfolgreich durchgeführt; Rückstellungen nach Dublin-Verfahren in andere EU-Länder fanden bislang in 163 Fällen statt.
Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es eines funktionierenden europäischen Rechtsrahmens sowie echter Kooperation. Die beabsichtigte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bietet hierzu eine große Chance. Dabei muss auch Deutschland erkennen, dass national gesetzte Anreize zur irregulären Migration nicht aufrecht erhalten werden können, wenn eine solidarische Verteilung in Europa gefordert wird. Deutschland muss sich also deutlicher an den Mehrheiten bei der Willensbildung in den europäischen Gesellschaften orientieren, um einen gerechten und akzeptierten Verteilmechanismus zu erreichen. Die Zustimmung zur Neuordnung des europäischen Migrationsregelwerk ist dabei ein richtiger Schritt. Insbesondere die Durchführung von Asylverfahren an den Außengrenzen muss dabei konsequent umgesetzt werden.
Europa braucht einen sicheren Grenzschutz: Dieser muss durch mehr FRONTEX-Kräfte und – bei entsprechender geografischer Ausgangslage – auch durch physische Barrieren sichergestellt werden. Ebenso braucht es Verträge mit Drittstaaten, welche die Rückführung von illegal Eingereisten, auch schon zum Zwecke der Verfahrensdurchführung, ermöglichen. Dazu gehört ein erneutes EU-Türkei-Abkommen unter Einbeziehung des UNHCR, in dessen Rahmen die Türkei Asylsuchende zurücknimmt, die illegal über die Ägäis einreisen. Zudem muss Deutschland diesen Prozess unterstützen, indem es auch bilaterale Rückführungsabkommen schließt und deutlich mehr Staaten als bisher als sichere Herkunftsstaaten ausweist. Hierzu zählen insbesondere Marrokko, Algerien und Tunesien. Im Rahmen dieser Verhandlungen muss Deutschland auch deutlich machen, dass es für kooperationsunwillige Drittstaaten künftig grundsätzlich keine Visa-Erleichterungen und andere Unterstützungen mehr geben kann.
Weiterhin ist die staatliche Unterstützung für die sog. zivile Seenotrettung im Mittelmeer spätestens ab 2024 durch Bund und Länder einzustellen und das Fahren solcher Schiffe unter deutscher Flagge zu unterbinden. Diese Aufgabe müssen staatliche Kräfte im Mittelmeer übernehmen, welche dann in vorgenannter Weise mit Dritt- und Ausgangsstaaten kooperieren.
Bis ein solches System Wirksamkeit erreicht hat, müssen an verschiedenen EU-Binnengrenzen, insbesondere in Deutschland, stationäre und flexible Grenzkontrollen möglich sein. Auf eine Zustimmung der EU zu solchen Maßnahmen ist durch die Bundesregierung mit Nachdruck hinzuwirken. Konkret gilt es in Deutschland den Grenzschutz lückenlos zu gewährleisten und auch Rückweisungen an den Grenzen in berechtigten Fällen zu ermöglichen.
Daneben muss der Bund dafür Sorge tragen, so gennannte „Pull-Faktoren“, also die Anreize für Menschen ohne Bleibeperspektive, nach Deutschland zu kommen, zu verringern. Der Bund muss daher die Sozialleistungen für Asylsuchende an die europäischen Standards angleichen. Die derzeitigen Sätze in Deutschland liegen deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Durch eine Angleichung an andere europäische Länder kann das Ziel einer fairen Verteilung zwischen den EU-Ländern besser erreicht werden und muss daher vorangetrieben werden. Insofern begrüßen wir die hierzu gefassten Beschlüsse der MPK vom 9. November.Darüber hinaus bedarf der Ausweisung weiterer „sicherer Herkunftsländer“, insbesondere im Hinblick auf die sogenannten Maghreb-Staaten.
Der Rahmen der Migrationspolitik wird auf Bundesebene und in Europa gesetzt. Dennoch trägt auch die Landesregierung Verantwortung für die weitere Entwicklung im Land:
- Die FDP fordert die Landesregierung auf, den Einsatz von Bezahlkarten und der Gewährung von Sachleistungen für Menschen im Verfahren wie auf der letzten MPK am 9. November beschlossen, zu erarbeiten und möglichst rasch und unbürokratisch umzusetzen.
- Aufgrund der starken Beanspruchung der kommunalen Ressourcen muss sich die Landesregierung konsequent an ihre Zusage halten, dass keine Verteilungen von Personen auf die Kommunen vorgenommen werden, deren Verfahren überwiegend wahrscheinlich mit einer Duldung, Abschiebung oder Überstellungnach dem Dublin-Verfahren enden wird. Ebenso muss das Land den Kommunen eine kurzfristige Rückübernahme von Personen zusagen, die einer Straftat dringend verdächtigt oder vollziehbar ausreisepflichtig sind.
- Dringend erforderlich ist auch die Beschleunigung und Digitalisierung der Asylverfahren. Die durchschnittliche Asylverfahrensdauer in den ersten drei Quartalen 2023 betrug 6,6 Monaten und ist damit zu lang. Hier müssen Bund und Länder prüfen, inwieweit Ressourcen gebündelt und Verfahren verschlankt werden können, damit z.B. Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren überhaupt möglich sind. Insoweit müssen die Beschlüsseaus den letzten MPKs hierzu umgesetzt werden, damit zügigere Registrierungen und eine anschließende, schnellere Zuführung der Asylsuchenden zum BAMF-Verfahren gewährleistet werden können. Ziel muss eine Antragstellung binnen zwei Wochen und eine Anhörung binnen vier Wochen sein. Hierfür fordern wir die Landesregierung auf, das Verweilen der Asylantragstellerinnen und -steller, wie auf der MPK vereinbart, in der Erstaufnahmeeinrichtung innerhalb dieser Fristen zu gewährleisten und zügig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht - wie auf der MPK vom 9. November vereinbart - innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden.
- Die Anstrengungen bei den Rückführungen sind deutlich zu intensivieren: Hier soll das Land die Aufgabe für alle Kommunen übernehmen und dabei die vom Bund geschaffenen Möglichkeiten zu einer effektiveren Durchsetzung von Ausreisen (z. B. zur Nutzung des Ausreisegewahrsams bis zu 28 Tagen) konsequent ausschöpfen. Dies gilt insbesondere für die Bearbeitung von Verfahren von Personen, die während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Hier ist die Abstimmung zwischen den Staatsanwaltschaften und den Ausländerbehörden zu verbessern, damit bei laufenden Ermittlungsverfahren Abschiebungen nicht an dem fehlenden Einverständnis der Staatsanwaltschaft scheitern. Nach dem Vorbild der bereichsübergreifend agierenden „Gemeinsamen Ermittlungsgruppe zur Rückführung ausländischer Straftäter (GERAS)“ in Hamburg muss auch in Schleswig-Holstein über solch zentralisierte Kompetenzzentren nachgedacht werden, um die langen Verfahren in den Ausländerbehörden zu beschleunigen. Angesichts der in Abstimmung mit den Ländern im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung vorgesehenen erweiterten Haft- und Gewahrsamsmöglichkeiten muss das Land seine Haft- und Gewahrsamskapazitäten überprüfen und wo nötig ausweiten.
- Ergänzend sollen Anreizprogramme zur freiwilligen Ausreise ausgeweitet werden, freiwillige Aufnahmeprogramme sind in dieser angespannten Lage zurückzustellen.