Chancengerechtigkeit – nicht Chancengleichheit!

Chancengerechtigkeit ist ein bestimmendes Grundelement liberaler Bildungspolitik. Das bedeutet, dass gegebene Unterschiede in Begabung und Leistungsfähigkeit, die durch "zufällige" Zuteilung natürlicher und sozialer Güter bestehen, berücksichtigt werden und jeder Mensch durch geeignete Maßnahmen unterstützt und gefördert wird. Im Mittelpunkt liberaler Bildungspolitik steht deshalb das Individuum, sein im Grundgesetz gesichertes Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Seine individuellen Begabungen, Neigungen und Fähigkeiten gilt es zu erkennen und zu fördern, um ein ethisch begründetes Verantwortungs- und Leistungsbewusstsein zu entwickeln.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen unabhängig von Geschlecht, Weltanschauung, sexueller Orientierung oder sozialer Herkunft die größtmögliche Chance erhalten, ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, Talente und Potenziale zu erschließen. Nicht die Gleichheit und Konformität von Bildungsergebnissen, sondern die Chance jedes Einzelnen zur bestmöglichen Nutzung seiner Entwicklungsmöglichkeiten steht im Mittelpunkt liberaler Bildungspolitik.

Soziale Herkunft und der kulturelle Hintergrund dürfen nicht den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen bestimmen. Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Milieus oder mit Migrationshintergrund haben schon bei Eintritt in die Grundschule erhebliche Defizite die dazu führen, dass diese jungen Menschen häufiger die Schule ohne Abschluss verlassen. Diese schwierigen Startbedingungen bestimmen häufig den gesamten Lebensweg.

Ziel des öffentlichen Bildungsangebotes muss deshalb sein, dass jeder Mensch selbstbestimmt seinen Lebensweg gestalten und auf geeignete Bildungsangebote zurückgreifen kann. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist ein früher und lebenslanger Zugang zu individueller Bildung für jeden, um sich selbstbestimmt entfalten zu können und ein mündiges Mitglied in einer freien Gesellschaft zu werden.

Chancengerechtigkeit durch frühkindliche Bildung stärken

Wir sehen die Hauptverantwortung für die Erziehung bei den Eltern, denn Bildung beginnt nicht mit dem ersten Schultag, sondern mit dem ersten Lebenstag. Eine wichtige Vorbereitung auf das spätere Leben wird bereits in den Kindertagesstätten geleistet. Frühkindliche Bildung muss der natürlichen Neugier Raum geben und die Kinder stimulieren, ihre Talente zu entwickeln und aus eigenem Antrieb neue Fähigkeiten zu entwickeln. Es ist richtig, dass die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher in diesem Sinne qualitativ verbessert wird und ihre Leistung durch eine bessere Entlohnung anerkannt wird. Erforderlich sind kleine Gruppen mit mindestens zwei Fachkräften pro Gruppe und eine gezielte Sprachförderung, um insbesondere auch Kindern aus bildungsfernen Familien und Familien mit Migrationshintergrund den Start in die Grundschule zu erleichtern.

Für Familien sind Anreize für die Nutzung von Kindertageseinrichtungen und weitere unterstützende Maßnahmen wie Elternberatungen, Kurse zur Steigerung der Erziehungskompetenz etc. einzuführen. Hierfür gibt es schon seit Jahren hinreichend erprobte und wissenschaftlich begleitete Modelle, die insgesamt erfolgreich umgesetzt wurden. Die Ausweitung dieser Projekte auf ganz Deutschland würde Kosten von ca. 500 Millionen Euro verursachen und damit weit weniger als das verfassungswidrige Betreuungsgeld.

Der Bund und die Länder sollen sich angemessen an den Kosten für eine qualifizierte frühkindliche Bildung beteiligen. Die durch Streichung des Betreuungsgeldes freiwerdenden Mittel müssen für die Finanzierung von Kindertagesstätten eingesetzt werden. Unser wichtigstes Ziel ist es, eine hohe Qualität der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote

Frühkindliche Bildung muss früher und verbindlicher beginnen. Dazu muss vor dem ersten Schuljahr der Übergang von Kita und Grundschule besser verzahnt und institutionalisiert werden. In diesem vorbereitenden Jahr muss das Land künftig eine landeseinheitliche Struktur schaffen.

Chancengerechtigkeit durch den Ausbau der verlässlichen Grundschule

In den Bundesländern ist die Anzahl der in der Grundschule zu unterrichtenden Wochen-stunden sehr unterschiedlich. Sie schwankt zwischen 92 (Schleswig-Holstein) und 108 (Hamburg) innerhalb von vier Jahren. Wir fordern, dass die Wochenstundentafel in Schleswig-Holstein erhöht wird, damit nicht schon bis zum Übergang in die weiterführenden Schulen ein Rückstand bei den Kindern entsteht. Ein umfangreicheres schulisches Angebot am Vormittag entspricht auch der Zielsetzung einer verlässlichen Grundschule, die, verbunden mit einem attraktiven Angebot am Nachmittag, in Form einer gebundenen Ganztagsschule zu führen ist wobei Eltern die Wahl haben sollen, ob sie sich für eine verpflichtend-rhythmisierte oder offene Ganztagsbetreuung entscheiden können Damit steigen die Chancen einer verbesserten Integration von Kindern aus Migrationsfamilien sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Voraussetzung dafür ist, dass die Lehrerversorgung an den Grundschulen entsprechend erhöht werden muss. Hinsichtlich der Einschulung sprechen wir uns für die Aufhebung der Stichtagsregelung aus.

In der Grundschule müssen ab der Klassenstufe 3 wieder Noten, ergänzt um eine schriftliche Lern- und Leistungsbeurteilung, eingeführt werden, um den Schülerinnen und Schülern sowie Eltern eine sichere und transparente Orientierung über erbrachte Leistungen zu geben und Freude an Wettbewerb und Leistung zu erhalten. Weiterhin halten wir eine Schularten-empfehlung mit verpflichtender Beratung am Ende des 4. Schuljahres für richtig, um Eltern und Schülerinnen und Schüler eine Hilfestellung für die Entscheidung des weiteren Bildungsweges zu geben.

Chancengerechtigkeit durch eine verantwortungsvolle Schule 

Eine lernende Gesellschaft ist von Neugier, Experimentierfreude, Innovationen und lebens-langer Weiterbildung geprägt. Wir wollen die weitreichende Durchlässigkeit im Bildungssystem erhalten und ausbauen. Ideologisch geführte Strukturdebatten lehnen wir ab, denn sie verhindern eine zukunftsorientierte Qualitätsentwicklung unserer Bildungssysteme. Gute Schulen zeichnen sich durch ein lernförderndes und wertschätzendes Klima sowie kollegiale Kooperation in gemeinsamer Verantwortung aus. Dort ist der Blick auf die individuelle Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung selbstverständlich. Dazu bedarf es hoher Freiheits-grade auf der Ebene der Einzelschule und einer bedarfsgerechten, auskömmlichen Lehrer-versorgung und Finanzierung. Deshalb fordern wir mehr Selbstständigkeit und Selbstverantwortung an Schulen. Dies umfasst auch die Entscheidung über die Form der Differenzierung bis zu abschlussbezogenen Klassen sowie die Wahlfreiheit der Gymnasien für G 8 oder G 9.

Damit Schulen in zentralen Handlungsfeldern ihre Gestaltungsfreiheiten verantwortungsvoll auch im Blick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen nutzen können, muss die Steuerung über die gemeinsamen Standards in den grundlegenden Fächern an allen Schularten weiter ausgebaut werden. Die Bestrebungen nach und der Aus-bau der bundesweit vergleichbaren Standards und die darauf abgestimmten Abschlussprüfungen sichern ein gemeinsames Leistungsniveau und erleichtern die Mobilität der Lernenden. Wir fordern, diese Entwicklung konsequent weiter zu verfolgen mit dem Ziel, in Deutschland die besten Bildungschancen anzubieten. Dabei sind auch grundsätzliche Fragen wie die Bildungshoheit der Länder in schulischen Angelegenheiten sowie das immer noch bestehende Kooperationsverbot zu hinterfragen. Eine umfassende Modernisierung des Bildungssystems würde jedoch Länder und Kommunen allein überfordern. Die Finanzierung muss daher eine gesamtstaatliche Aufgabe werden.

Chancengerechtigkeit durch den Erhalt der Vielfalt

Die Menschen sollen aus einem breiten Bildungsangebot den für sie richtigen Weg einschlagen können. Neugierde und Tatkraft junger Menschen dürfen nicht durch falsche Erwartungen zunichte gemacht werden. Freiwilligendienste, Auslandsaufenthalte und Praktika sind keine Lücken im Lebenslauf, sondern wertvolle Erfahrungen. Nicht nur ein Hochschulstudium führt zu Chancen und Erfolg, für viele junge Menschen ist das Lernen eines Ausbildungsberufes der Weg zu Glück und zu Selbstverwirklichung. Die dazugehörige duale Ausbildung soll weiterhin gefördert und den Bedarfen entsprechend weiter entwickelt werden. Denn die duale Ausbildung ist eine Grundlage der wirtschaftlichen Stärke unseres Landes. Dazu ist es unerlässlich, durch ein differenziertes Bildungssystem die Vielfalt der Bildungswege zu einem Studium oder zu einer Berufsausbildung zu erhalten und zu fördern.

Es gilt, die Vielfalt der vorhandenen Bildungsgänge zu erhalten. Sie bietet ausreichend Möglichkeiten für unterschiedlichste Begabungen. Dabei müssen alle Beteiligten im Bildungssystem gestärkt und in die Lage versetzt werden, die notwendigen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen jungen Menschen vermitteln zu können. Deshalb soll der Unterricht auch von den Lehrkräften erteilt werden, die über die entsprechende Lehrbefähigung verfügen. Im Hinblick auf die wichtigen MINT-Fächer lehnen wir das Fach „Naturwissenschaften“ als Sammelsurium für die naturwissenschaftlichen Fächer ab und fordern einen von Fachlehrkräften durchgeführten Unterricht auch in den Fächern Chemie, Physik und Biologie.

Schulen in freier Trägerschaft sorgen für ein breites Feld an unterschiedlichen Lehrkonzepten, wodurch die Chance erhöht wird, dass für viele junge Menschen ein passendes Angebot, welches jeweils Talente und Fähigkeiten entdeckt, gegeben sind.

Chancengerechtigkeit durch Transparenz und Durchlässigkeit

Wir setzen uns dafür ein, dass eine einmal eingeschlagene Bildungsentscheidung geändert werden kann, um eine dem Leistungsvermögen entsprechende Fortsetzung des Bildungs-weges zu ermöglichen. Es darf keine Sackgassen im Bildungswesen geben, die Durchlässigkeit des Systems muss gewährleistet werden. Die Vielfalt der Bildungsangebote ist jeder Form der Gleichmacherei vorzuziehen. Diese sind durch frühzeitige und die gesamte Schulzeit begleitende Beratungsangebote transparent darzustellen. Dies gilt für alle – ob mit oder ohne Behinderung und/oder speziellem Förderbedarf. Eine konsequente Inklusion bedeutet nicht einen gemeinsamen Unterricht in jedem Fall, sondern es bedarf einer professionellen und verantwortungsvollen Diagnostik und differenzierter Lösungsansätze, die den Erhalt von Förderzentren mit den Professionen der Sonderpädagogen zwingend erforderlich machen. Ein pragmatischer Ansatz, der für den Unterricht unter dem Dach einer allgemein bildenden Schule auch ganz oder teilweise in speziellen Lerngruppen für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen vorsieht, ist als „dritter Weg“ nachdrücklich zu fördern. Dies muss in der berufsbildenden Schule und im Übergang in die Berufs- und Arbeitswelt seine Fortsetzung finden.

Zur Verbesserung der Durchlässigkeit gehört auch eine wirksame Berufs- und Studienorientierung an den Schulen. Die oftmals pressewirksam dargestellten Schulpartnerschaften reichen dabei nicht aus. Die bisherigen Bemühungen – überwiegend im Wahlpflichtbereich – müssen verbindlich vorgegeben werden. Dabei sind die Betriebe in der Region und die Wirtschaftsverbände ebenso wie die Bundesagentur für Arbeit mit der Berufsberatung und die Hochschulen einzubinden. Ziel muss sein, dass für jeden Schüler und Schülerin am Ende des Bildungsgangs ein Anschluss möglich ist.

Chancengerechtigkeit durch individuelle Leistungsförderung und –feststellung

Das Erkennen des eigenen Leistungsvermögens motiviert – Leistungssteigerungen beflügeln! Deshalb sind Leistungsermittlung und -bewertung unerlässliche Grundlagen für eine individuelle Förderung. Sie geben Rückmeldungen über den Stand und den Fortschritt des Lernens und sind Entscheidungshilfen für den weiteren Bildungsweg. Nur eine aussagefähige Leistungsermittlung, die die individuellen Fähigkeiten und Begabungen motivierend nutzt, führt zu begründeten Bildungsplanungen, verhindert Fehlentscheidungen und damit auch Bildungsabbrüche. Deshalb ist es ein falscher Weg, Leistungsbewertungen abzuschaffen! Sie sind vielmehr von der Grundschule bis zur Ausbildung und dem Studium den jeweiligen Zielgruppen angemessen weiter zu entwickeln. Dabei sollen Verfahren, die zum Lernen er-mutigen und die Selbstständigkeit fördern, im Mittelpunkt stehen. Die FDP sieht in der Kombination des bisherigen Notensystems, ergänzt um schriftliche Lern- und Leistungsbeurteilungen, ein Verfahren, das besonders gut geeignet ist, diese Ziele zu erreichen.

Chancengerechtigkeit durch Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung

Das Berufsbildungssystem besteht aus fünf starken Säulen. Die zentrale Säule bildet die Berufsschule als Partner der dualen Ausbildung gemeinsam mit der betrieblichen Ausbildung. Beide Lernorte arbeiten kooperativ nach eigenen Zielen und curricularen Vorgaben, die bundesweit abgestimmt sind, zusammen. So sichert Deutschland eine Fachkräfteausbildung, für die wir weltweit beneidet werden. Die zweite Säule ist das Schulberufssystem mit den Berufsfachschulen, die zu einem vollwertigen beruflichen Erstabschluss führen und/oder noch nicht erreichte Abschlüsse des allgemein bildenden Schulsystems vermitteln. Die dritte Säule sind die Bildungsgänge Berufliches Gymnasium, Fachoberschule und Berufsober-schule, die zu einer Studienberechtigung an einer Hochschule führen. Die seit einigen Jahren stetig anwachsende vierte Säule ist das Übergangssystem, das mit dem

Ausbildungsvorbereitenden Jahr (AVJ) und den Berufseingangsklassen (BEK) primär das Ziel verfolgt, jungen Menschen den Übergang in eine Ausbildung zu ermöglichen. Mit seinen Fachschulen als fünfte Säule übernehmen die Berufsbildenden Schulen weiterhin eine wichtige Rolle in der Weiterbildung. Bildungsabschlüsse – vom ESA (Erster allgemeiner Schulabschluss) bis zum Abitur – können sowohl über die Gemeinschaftsschulen und Gymnasien als auch über die oben aufgeführten Schularten der berufsbildenden Schulen erreicht werden. Schon heute erhalten z.B. über 25% der Abiturientinnen und Abiturienten ihren Abschluss an einem beruflichen Gymnasium. Betrachtet man die Studienberechtigung insgesamt, also einschließlich Fachhochschulreife, so sind es fast 40%, die über eine Berufsfachschule, eine Fachoberschule, eine Berufsoberschule oder auch über die duale Ausbildung den Zugang zu einem Studium erreichen. Diese sowohl im internationalen Vergleich häufig übersehene Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems als auch von Eltern oft unbeachtete Chance bei ihrer Entscheidung nach der Primarstufe in eine Schulart der Sekundarstufe ist für eine liberale Bildungspolitik fester Bestandteil und bedarf eines höheren Bekanntheitsgrades.

Insbesondere die Vielfalt der dualen Ausbildung, die damit verbundenen Berufschancen und die Möglichkeiten der Weiterbildung bis zur unternehmerischen Selbstständigkeit sind als Erfolgsmodell zu stärken. Die geringe Jugendarbeitslosigkeit über Jahrzehnte ist ein Beleg für diesen Erfolg. Ziel liberaler Bildungspolitik ist deshalb, die duale Ausbildung zu stärken, sie durch mehr Flexibilität attraktiver zu gestalten. Dabei geht es uns nicht um ein Gegeneinander von Studium und Berufsausbildung, sondern um den individuell geeigneten Bildungsweg, der die persönlichen Fähigkeiten und Neigungen berücksichtigt.

Eine besondere Bedeutung haben dabei die Übergänge von einer Schule in einen Ausbildungsberuf oder ein Studium. In dieser Phase ist rechtzeitig eine enge Zusammenarbeit zwischen der Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit, den Unternehmen, den Hochschulen und allen Schulen zwingend erforderlich. Die Berufs- und Studienorientierung an allen

Schulen ist zu stärken und als verpflichtendes Angebot in den Stundenplan aufzunehmen. Dabei sind auch die Eltern einzubinden. Nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht werden alle Schülerinnen und Schüler, die noch keinen Ausbildungs- oder Studienplatz haben, und noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, berufsschulpflichtig. In einer dualisierten Ausbildungsvorbereitung sind diese Schülerinnen und Schüler auf eine Ausbildung in einem Betrieb gemeinsam mit der regionalen Wirtschaft vorzubereiten. Die Berufsschulpflicht endet erst, wenn eine Berufsausbildung begonnen wird. Die Berufsschulpflicht in der dualen Ausbildung bleibt davon unberührt.

Chancengerechtigkeit durch eine offene Schule

Schulen haben unbestritten vorrangig einen Bildungs- und Erziehungsauftrag, für den die Lehrkräfte und die Schulleitung die alleinige Verantwortung tragen. Gleichwohl hat sich Schule weiter entwickelt als zentraler Ort der Kommunikation in der Gemeinde oder im Stadtteil mit Beratungs- und sozialen Dienstleistungen der Familien- und Jugendhilfe. Dies stärkt die Schule und unterstützt die Lehrkräfte und die Schulleitungen, führt aber durch die Vielzahl von Unterstützungssystemen häufig auch zu Überschneidungen von Zuständigkeiten. Der Einsatz von Schulpsychologen, Schulassistenten, Schulbegleitern, Beratungslehrkräften, Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, Berufseinstiegsbegleitern usw. muss deshalb neu gestaltet werden. Ziel muss sein, dass diese Unterstützungssysteme von multiprofessionellen Teams erbracht und aus einer Hand koordiniert werden. Schulleitung und Lehrkräfte müssen dabei ihre zentrale Verantwortung für den Unterricht behalten.

Chancengerechtigkeit durch eine differenzierte Ausbildung der Lehrkräfte

 Bildung ermöglicht vielfältige Chancen und erfordert deshalb Lehrerinnen und Lehrer, die auf verschiedene Art und Weise, ausgestattet mit ausgezeichneter Fachkompetenz und der Fähigkeit, gezielt  Lernprozesse initiieren und Lernergebnisse sichern zu können, auf ihren Lehrerberuf vorbereitet werden. Diese Grundvoraussetzung muss in einer differenzierenden

Lehrerausbildung geschaffen werden. Dazu müssen die Hochschulen und Universitäten die Möglichkeit zu ausgezeichneter Lehre und herausragender Forschung erhalten. Deshalb stehen wir für die Autonomie und die Selbständigkeit der Hochschulen mit einer länderübergreifenden Grundfinanzierung. Eine fundierte fachliche und pädagogische Ausbildung der Lehrkräfte ist die Grundlage jedes überzeugenden und erfolgreichen Lehrens. Bildung ist eine unerlässliche Investition in die Zukunft jedes Menschen und der Gesellschaft als Ganzes und keine Sozialleistung. Schüler und Schülerinnen, Auszubildende und Studierende müssen ungeachtet ihres sozialen Hintergrundes eine Förderung erfahren können.

Chancengerechtigkeit -  eine Forderung für alle Lebensphasen

Die Bildung der Menschen endet nicht mit einem schulischen, beruflichen oder akademischen Abschluss. Menschen lernen lebenslang. Weiterbildung eröffnet lebenslang Entfaltungschancen und ermöglicht den beruflichen Aufstieg. Wir unterstützen deshalb individuelle Anstrengungen zur Bildung in jedem Alter, zum Beispiel durch privates Bildungssparen, Bildungsgutscheine und durch erweiterte Fördermöglichkeiten für Beschäftigte durch die Bundesagentur für Arbeit. Das betrifft nicht nur Schüler und Schülerinnen, die ohne Abschluss die Schule verlassen haben, sondern auch Menschen mit gebrochenen Bildungsbiografien und diejenigen, die sich aus persönlichen oder durch den Arbeitsmarkt veranlassten Gründen umorientieren wollen und müssen. Dafür muss auch das Angebot an weiterbildenden sowie berufsbegleitenden Fortbildungen und Teilzeitstudiengängen gefördert werden. Als Anreiz soll die volle steuerrechtliche Anerkennung gesichert werden.

Ebenso muss Analphabetismus enttabuisiert und als gesellschaftliche Realität berücksichtigt werden. Um die Bildungschancen für die funktionalen Analphabeten zu erhöhen, sind nachfragegerechte Kursangebote unter Einbeziehung der Nationalen Strategie zur Alphabetisierung und Grundbildung aufzubauen.

Das bereits existierende Instrument des Bildungsurlaubs, das jedem Arbeitnehmer zusteht, wird nur von einer Minderheit angenommen. In vielen Fällen ist der gesetzliche Anspruch auf Bildungsurlaub in den jeweiligen Unternehmen gar nicht bekannt. Die Möglichkeiten zum Qualifikationserwerb sowie die Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten breiter bekannt gegeben werden und durch eine Änderung des Weiterbildungsgesetzes Anreize geschaffen werden, indem Weiterbildungsmaßnahmen von Arbeitgeber und Beschäftigten einvernehmlich festgelegt werden.